Ein Blick in die Staunforschung

Die Journalistin Wenke Husmann schreibt in ihrem Artikel „Woaaah!“ in der ZEIT Nr. 54/2025: „Staunen ist eine geheime Superkraft: Sie macht Menschen gesünder, klüger, geselliger. Auch Erwachsene können sie wieder erlernen.“ Dabei beruft sie sich auf den Staunforscher Dacher Keltner: >>„Staunen“, sagt er ... „bringt dem Menschen entscheidende evolutionäre Vorteile.“ Um herauszufinden welche, hat Kellner auf dem Campus eine Gruppe Studierender zwei Minuten lan riesige, 60 Meter hohe Eukalyptusbäume anschauen lassen, während die Kontrollgruppe den Blick auf die Fassade eines ebenso hohen, nüchternen Uni-Gebäudes richten mussten. Als man die Studienteilnehmer fragte, wie viel Aufwandsentschädigung sie bekommen möchten, verlangten die Baum-Bestauner weniger als ihre Kollegen aus der Kontrollgruppe. Und als einer der Studienleiter absichtsvoll seine Bücher und Stufte fallen ließ, halfen ihm die Stauner eifriger beim Aufsammeln als die Fassadengucker. ... Dacher Keltner definiert das Staunen so: „Es ist ein Gefühl, das man in Gegenwart von etwas Großem empfindet, das über das eigene Weltverständnis hinausgeht.
2023
Siehe auch: Dacher Keltner: Why Awe Is Such an Important Emotion, 2016 https://www.bing.com/videos/riverview/relatedvideo?&q=Dacher+Keltner+awe&&mid=13875480501BAB3CF62413875480501BAB3CF624&mmscn=mtsc&aps=10&FORM=VRDGAR
Dacher Keltner: Awe & Wonder 2023 https://www.bing.com/videos/riverview/relatedvideo?&q=Dacher+Kelter+awe&&mid=E679DA8A3D339358C574E679DA8A3D339358C574&&FORM=VRDGAR
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Awe Sparks Prosociality in Children (Ehrfurcht weckt prosoziales Verhalten bei Kindern)
Eftychia Stamkou (Netherlands) u.a., Department of Psychology, University of Amsterdam;
in Psychological Science, April 2023, Band 34, Ausgabe 4, Seiten 455–467
Zusammenfassung (Google translate):
Ehrfurcht, die im Neuen und Geheimnisvollen wurzelt, ist eine weit verbreitete Kindheitserfahrung, doch die Forschung geht kaum darauf ein. Ehrfurcht lässt Menschen sich klein fühlen und lenkt ihre Aufmerksamkeit dadurch auf die soziale Welt. In dieser Studie untersuchten wir die Auswirkungen von durch Kunst hervorgerufener Ehrfurcht auf das prosoziale Verhalten von Kindern gegenüber einer Fremdgruppe sowie die damit verbundenen physiologischen Korrelate. In zwei vorregistrierten Studien (Studie 1: N = 159, Studie 2: N = 353) sahen Kinder im Alter von 8 bis 13 Jahren Filmausschnitte, die Ehrfurcht, Freude oder eine neutrale (Kontroll-)Reaktion auslösten. Kinder, die den ehrfurchtgebietenden Ausschnitt sahen, widmeten sich eher einer anstrengenden Aufgabe (Studie 1) und spendeten ihre im Rahmen des Experiments erzielten Einnahmen (Studien 1 und 2) für Flüchtlingshilfsprojekte. Sie zeigten außerdem eine erhöhte respiratorische Sinusarrhythmie, einen Indikator für die Aktivierung des parasympathischen Nervensystems im Zusammenhang mit sozialer Interaktion. Wir erörtern die Auswirkungen auf die Förderung prosozialen Verhaltens durch die Neugestaltung der kindlichen Umgebung, um in einem entscheidenden Alter Ehrfurcht zu wecken.
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Curiosity – Neugier nach: Christopher Peterson, Martin E.P. Seligman (2004). Curiosity. In: Character, Strength and Virtues (S.125-141). Oxford University Press
Manche, im Bereich der Forschung sehr erfolgreiche Menschen, zeichnen sich durch ein hohes Maß an Wissensdurst aus – durch Neugier!
Peterson und Seligman geben in ihrer Abhandlung „Curiosity“ (2004) einen Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Neugier. Sie skizzieren, mit welchen Faktoren Neugier verwandt ist und welche Modelle und Theorienbildung es bezüglich Neugier gibt.
Besonders interessant scheinen die empirischen Forschungsergebnisse zu sein, die sich mit den Zusammenhängen und den Folgen von Neugier beschäftigen. Demnach hat Neugier positive Wirkungen auf den Bereich der Kreativität, der Gestaltung von Arbeit und Freizeit, der Begeisterungs- und Genussfähigkeit, sowie der Aufmerksamkeit eines Menschen.
Wahrgenommener Stress und Langeweile werden durch Neugier reduziert. In einem Versuch stellten Schüler mit einem hohen Niveau an Neugier (unter der Voraussetzung, dass die Schulumgebung von ihnen als unbedrohlich wahrgenommen wurde) etwa fünfmal so häufig Fragen wie Schüler mit einem niedrigen Niveau (Peters, 1978).
Meta-Analysen zeigen, dass Neugier einen starken positiven Einfluss auf akademisches Lernen und Leisten und einen sehr starken Einfluss auf die eigenständige Wahl von beruflichen Werdegängen hat.
Ferner wirkt sich Neugier sehr vorteilhaft auf die Gestaltung von Beziehungen aus: Neugierige Menschen erleben ein höheres Maß an Intimität in Begegnungen als andere. Sie bringen den positiven Seiten ihres Gegenübers und den interessanten Aspekten einer Unterhaltung mehr Aufmerksamkeit und Interesse entgegen als weniger neugierige und haben mehr Spaß an der Begegnung.
Neugier scheint sich sowohl auf das körperliche Wohlbefinden als auch auf die Sterblichkeitsrate von Menschen auszuwirken: In einer provokanten 5-jährigen Anschlussstudie an eine geriatrische Studie wurde festgestellt, dass (unter Berücksichtigung von Variablen wie Alter, Ausbildung und Gesundheit) der anfängliche Level an Neugier bei den noch Lebenden signifikant höher war als bei denen, die in diesem Zeitraum gestorben waren.
Negative Folgen kann ein hoher Level an Neugier jedoch in Verbindung mit einem niedrigen Niveau an Gewissenhaftigkeit haben: Man vermutet, dass diese Kombination häufig zu kurzfristigen Befriedigungen auf Kosten der längerfristigen Zukunft führt, etwa in Form von Faszination gegenüber Drogen, Gewalt oder sexuellen Erlebnissen.
Staunen weckt Neugier. Neugier führt zu Entdeckungen, die staunen lassen.